Auf die Telefonrechnung geguckt und auch in die Falle getappt?
Die Falle heißt Ventelo Call-By-Call Vertipper-Abzocke. Haben sie auch eine ungewöhnlich hohe Telefonrechnung bzw. Verbindungspreise zahlen müssen? Sollten sie Call-By-Call, auch Vorvorwahlen genannt, genutzt haben, könnte das an einer geschickten Falle von Unternehmen, wie z.B. Ventelo, liegen. Unter anderem setzen diese auf Vertipper, die jeder von uns mal macht. Sollten sie sich also auch einmal oder häufiger vertippt habe, kommen extrem hohen Verbindungspreisen auf sie zu. Aber müssen sie diese marktfremden Mondpreise nun wirklich zahlen? Nein, nicht unbedingt und sicherlich nicht wehrlos.
Aber mal von Anfang an…
Wer oder was ist die Ventelo GmbH?
Ventelo ist eine 100% Tochter des börsennotierten Telekomunikationsunternehmen QSC. Ventelo bietet mehrere Call-By-Call-Services an. Ich möchte besondere Aufmerksamkeit auf die Verbindung zu QSC legen. Weiß QSC überhaupt was die Tochtergesellschaft macht oder interessiert es sie gar nicht? Sollte jemand mit Ventelo keine Geschäfte mehr machen wollen, sollte er dieses mit QSC ebenfalls nicht mehr tun oder in Erwägung ziehen!
Diese lange Liste von Call-By-Call Nummern (alternative Quelle) gehört zu Ventelo:
- www.01011telecom.de (Einwahl 01011)
- www.01012telecom.com (Einwahl 01012)
- www.010018.com (Einwahl 010018)
- www.ventelo.de (Einwahl 01040)
- www.01052telecom.de (Einwahl 01052)
- www.010052telecom.de (Einwahl 010052)
- www.01069telecom.com (Einwahl 01069)
- www.star79.de (Einwahl 01079)
- www.01088telecom.de (Einwahl 01088)
- www.010088telecom.de (Einwahl 010088)
- www.010090.com (Einwahl 010090)
- www.01097telecom.de (Einwahl 01097)
- www.01098tele.com (Einwahl 01098)
Telefon-Betrug: Wie funktioniert die Vertipper-Abzocke von Ventelo?
Die Firma betreibt mehrere Call-By-Call-Nummern, wie z.B. 010088 und 01088 oder 010052 und 01052. Sie erkennen sicherlich schon die Ähnlichkeit. Die Nummern unterscheiden sich nur um eine 0. Die 0100xx Nummern sind immer die günstigen (pro Minute wenige Cent), die 010xx Nummern dagegen sind die Fallen (pro Minute meist mehr als 1 EURO). Diese Vertipper-Abzocke schlägt also mit dem 50zig bis 100-fachen zu buche. Wer sich nur einmal verwählt und kein allzu langes Gespräch führt, dem werden diese Mondpreise wahrscheinlich nicht einmal in der Telefonrechnung auffallen.
Was ist uns passiert?
Wir führen häufig Gespräche ins Ausland und nutzen dafür, wie viele andere auch, die günstigeren Call-By-Call-Nummern. Warum günstigeren? Weil sie günstiger sind, als der teure Telekom-Tarif, den ich damit ja umgehen möchte.
Wir haben meist die 010088 gewählt und wenig Cent pro Minute gezahlt. Eines Tages bekam ich eine ungewöhnlich hohe Rechnung von der Telekom, auf der ca. 160 EUR allein für einen Call-By-Call-Anbieter ausgewiesen war. Die Ventelo GmbH bzw. QSC halt.
Nun weiß ich, das meine Frau manchmal länger telefoniert, aber 160 EUR bei ca. 2,5 Cent wären knapp 107 Stunden oder 4,5 Tage! Ich habe sofort einen Einzelverbindungsnachweis (2012-06-08 Ventelo Einzelverbindungsnachweis) nachgefordert und darauf entdeckt, das wir anstelle der 010088 ausversehen die 01088 gewählt haben. Diese Nummer war aber um das Vielfache teurer. Jeder noch so kurze Anruf kostete gleich mehrere EURO. Ein Gespräch nach Spanien mit einer Dauer von 1:13h kostete knapp 100 EUR!
Gegenwehr
Da die hohen Kosten und Abzocke für mich nicht nachvollziehbar waren, habe ich daraufhin bei der Telekom den Betrag storniert (2012-06-25 Einspruch Telekom) und gutgeschrieben bekommen. Außerdem habe meinen Anwalt gebeten ein entsprechendes Schreiben (2012-06-26 Anwalt) aufzusetzen und die Rechnung anzufechten.
Ausrede mit Sorgfaltspflicht
Den Abzockern hat das leider nicht geschmeckt, woraufhin ich prompt eine Antwort (2012-06-29 Ventelo) von Ventelo bekommen habe, in der sie u.a. auf ihre AGBs und die Sorgfaltspflicht eines jeden Kunden verweisen. Außerdem glauben sie, das die Preisgestaltung einzig dem Unternehmen zusteht, sie also alles von Umsonst bis Wucher verlangen können.
Mahngungen, Drohungen, Inkassounternehmen
Da wir unsere Argumente bereits vorgebracht hatten und es nichts weiteres zu sagen gab, habe ich zunächst nur eine Mahnung (2012-07-24 Ventelo) von Ventelo bekommen, mit der Drohung es an ein Inkassounternehmen oder Anwalt weiterzugeben. Dieses Inkassounternehmen war dann The Collection Group, welche mir mehrere Monate lang Mahnungen geschickt hat. In der Ersten (2012-09-04 The Collection Group) wurden nur “weitergehende Maßnahmen” und Mehrkosten angedroht. Die zweite Mahnung (2012-10-01 The Collection Group) drohte dann mit dem “Vertragsanwalt”, den sie bei so vieler Abzocke sicherlich schon länger unter “Vertrag” haben. In der dritten Mahnung (2012-10-15 The Collection Group) muss man das Inkassounternehmen bemitleiden, da deren Geduld zu Ende ging. Sie drohten mit einem Gerichtsverfahren. Was die Vierte (2012-11-14 The Collection Group) sollte, weiß ich nicht so recht, aber es ist ja immer schön Post zu bekommen.
Seltsamerweise ist danach 6 Monate lang nichts mehr passiert. Vermutlich war ihr “Vertragsanwalt” so unter Stress mit bereits laufenden Klagen, das er keine weiteren Schreiben bzw. Klagen einreichen konnte. Die Kanzlei ist wohl mit den vielen Opfern voll ausgelastet, die so eine Vertipper-Abzocke einfängt.
Klage vom Vertragsanwalt
Letztendlich bekam ich dann aber doch die Klage (2013-05-07 Klägerin) vom “Vertragsanwalt” zugeschickt. Die Klägerin hat darin gebeten, nicht selbst zur Verhandlung erscheinen zu müssen, weil sie aus Berlin kommt und ansonsten teuer anreisen müsste oder einen Unterbevollmächtigten Anwalt aus der Region beauftragen muss.
Mein Anwalt hat daraufhin eine Klageabweisung (2013-06-13 Anwalt) mit ausführlicher Begründung eingereicht. Die Klägerin hat daraufhin mit eine langen Liste von angeblich treffenden Urteilen (2013-06-25 Klägerin) erklärt, warum ich jedweden Betrag zahlen müsste und nochmals erklärt, das sie im Namen der Privatautonomie von kostenlos bis Wucher alles verlangen dürfen.
Netterweise hat das Amtsgericht die Klägerin dennoch geladen, um möglichst schnell voranzukommen. Und wieder eine Träne des Bedauerns für Ventelo.
Vor Gericht
Die Gerichtsverhandlung (2013-11-12 Amtsgericht Stuttgart Protokoll) ging für einen solch kleinen Betrag ausgesprochen lang, da es auch für den Richter, wie er selbst sagte, um ein sehr interessantes Thema ging. Es dauerte ca. 2,5h. Mehr oder minder war ich nur Zuschauer, da sich der Richter, auf Basis der vorgelegten Unterlagen beider Seiten, bereits eine Meinung gebildet zu haben schien und fast ausschließlich die Klägerin (Ventelo) bearbeitete.
Er wies die Klägerin von vornherein darauf hin, das es sich wohl recht eindeutig um einen Inhaltsirrtum in Form eines Verlautbarungsirrtums und nicht um einen Motivirrtum handelte. Er hat der Gegenseite mehrfach und eindeutig die Möglichkeit gegeben die Klage zurückzuziehen, bevor es zum eigentlichen Verhandlungsbeginn kam und somit höhere Kosten anfallen würden. Die Gegenseite wurde auch darauf hingewiesen, das der Ausgang bzw. das Urteil von uns entsprechend publiziert werden würde. Auch hier erklärt der Richter, das seine Urteilssprüche (2013-12-13 Amtsgericht Stuttgart Urteil) gut verständlich und lesbar wären und er aus seiner Sicht keine Einwände gegen eine Veröffentlichung hat. Trotz all dieser “Hinweise” bestand die Gegenseite auf ihre Klage.
Vertipper sind Inhaltsirrtum
Wie der Richter zuvor bereits gesagt hat, wiederholte er noch einmal, das es sich bei dem Vertipper aus seiner Sicht nicht um ein Motivirrtum handelte, sondern um einen Inhaltsirrtum, welchen wir aus gutem Grund anfechten. Besonders interessant bei der Diskussion war, das der Richter betont hat, das er dieses interessante Thema mit seinen Kollegen (Richtern) vorab diskutiert hat und alle Kollegen wohl ebenfalls seine Meinung teilen. Übersetzt hieß das für mich soviel wie: alle Richter in Stuttgart werden auf gleiche Weise argumentieren und die Anfechtung der Erklärung zulassen. Ventelo hat also zumindest in Stuttgart schlechte Karten, um mit ihrer dreisten Abzocke zu punkten.
Die Gegenseite wollte aber unbedingt noch die Zeugin (meine Frau) anhören. Da aber auch sie gegenüber dem Richter erklärt hat, das sie ja versucht hat, BILLIGER ALS MIT DER TELEKOM zu telefonieren und nicht teurer, wurde schnell klar, das es sich tatsächlich um den besagten Inhaltsirrtum handelte. Dieser Punkt ist aus juristischer Sicht sehr WICHTG! Würde es sich nämlich um ein Motivirrtum handeln, ist eine Anfechtung aussichtslos. Aber jedem sollte ja klar sein, das ich Call-By-Call nur und ausschließlich mache, um günstiger zu telefonieren. Ich habe noch nie jemanden sagen hören, das er das aus anderen Motiven heraus machen würde.
Marktüblichen Preis
Aus juristischer Sicht kann die Klägerin nach Meinung des Richters aber Wertersatz für ihre rechtsgrundlos erbrachte Leistung verlangen, welche ich zahlen muss, da ich ja tatsächlich die Kommunikationsdienstleistung von den Abzockern genutzt habe. Die Frage ist nur wie viel bzw. wie teuer die Dienstleistung üblicherweise ist. Hierbei hat sich der Richter große Mühe gegeben und die Top 10 Call-By-Call-Preise je nach Land und je nach Verbindungstyp (Festnetz oder Mobilfunk), analysiert. Seiner Meinung nach benutzt so gut wie kaum jemand einen Anbieter, der nicht in der Top 10 ist, denn jeder möchte ja in erster Linie günstig telefonieren. Von diesen Top 10 Preisen hat er den Durchschnitt genommen und diesen als marktüblichen Preis vorgeschlagen.
Der Gegenseite wurde angeboten einen Gutachter zu berufen, um den Preis zu evaluieren. Hierbei wurde der Klägerin aber verständlich gemacht, das sie dann sicherlich auf dem Großteil der Kosten sitzen bleiben wird. Leider waren die Abzocker nicht dumm genug, darauf einzugehen.
Wie aus dem Urteil mit dem Aktenzeichen 1 C 2647/13 (2013-12-13 Amtsgericht Stuttgart Urteil) zu entnehmen ist, muss ich nun ganze 4,85 EUR inklusive Zinsen anstatt der ca. 160 EUR zahlen. Ausserdem darf die Klägerin die gesamten Kosten tragen. Leider muss man aber auch sagen, das mein Anwalt auf Grund des geringen Streitwerts nicht entsprechend entlohnt wurde, denn er hat sich sehr viel Mühe gegeben und hatte auch zeitlich viel Aufwand. Das bedeutet für sie leider, das sich die Anwälte bei diesen Summen nicht gerade um ihre Fälle streiten werden.
Was sollte man tun?
Vorweg: Alle Tipps, Möglichkeiten und Maßnahmen sind nicht nur hilfreich für euch selbst, sondern sie schützen letztendlich auch viele andere davor, auf die Vertipper-Masche hereinzufallen. Wenn Abzocker merken, das die Einnahmen zu gering oder das Risiko und die Kosten zu hoch werden, werden sie früher oder später mit dieser Masche aufhören.
Nicht zahlen
Ich kann nur jedem raten, sich gegen diese Abzocker zur Wehr zu setzen. Zahlt eure Rechnung nicht, fechtet sofort die Rechnung gegenüber Ventelo an, nehmt euch einen Anwalt und geht vor Gericht. Wie in meinem Fall wird das ein wenig dauern und man braucht auch Geduld, aber es ist wohl das Beste was man tun kann. Leider ist es nicht risikofrei. Aber genau auf diese Angst setzen die Abzocker.
Nicht zahlen erhöht die Kosten als auch das Risiko für die Abzocker.
Boykott
Macht keine Geschäfte mehr mit Ventelo oder verbündeten Unternehmen, wie z.B. QSC. Nutzt auch nicht die günstigen Nummern der Abzockunternehmen. Die Abzocker können die Tarife jederzeit ändern! Geht also besser kein Risiko ein.
In meiner Telefonanlage habe ich sämtlich Ventelo-Telefonnummern (siehe oben) gesperrt, sodass weder ich noch andere sie aus Versehen wählen können. Mit Hilfe der Anleitung für die FRITZ!Box klappt das ziemlich leicht.
Noch effektiver und auch ohne Telefonanlage lassen sich die Rufnummern über die Telekom sperren. Wie man in der Hilfe von der Telekom lesen kann, geht dieses entweder online über das Kundencenter oder per Steuercodes direkt am Telefon.
Ihr mindert somit deren Gewinn und Interesse an solchen Geschäften.
Weitersagen
Erzählt anderen von euren Erfahrungen und warnt sie vor, damit sie nicht auch Opfer werden. Schreibt Foren-Beiträge oder verlinkt auf Artikel wie diesen, damit sie sich notfalls auch zur Wehr setzen können.
Anmerkung
Ich kann euch nur dazu raten, euch ebenfalls zur Wehr zu setzen. Es gibt genug Gründe, Urteile und Hilfen, um erfolgreich gegen diese Abzocke vorzugehen. Natürlich garantiert euch weder mein Urteil noch das der anderen, das auch ihr den Prozess gewinnen werdet. Jeder Fall ist ein klein wenig anders und auch jeder Richter mag darüber anders urteilen. Ermutigen sollte euch das alles aber auf alle Fälle. Je mehr Leute klagen, desto weniger ist es für Ventelo und QSC erstrebenswert mit solch fragwürdigen Machenschaften fortzufahren.
Ich bin kein Anwalt oder juristisch besonders gewandt. Ich werde euch also keine juristischen Auskünfte oder Beratung geben können. Dennoch hoffe ich, das dieser Artikel euch oder eurem Anwalt weiterhelfen wird.
Solltet ihr Anmerkungen, Anregungen oder weitere Tipps, Links, Urteile o.ä. haben, nutzt doch bitte die Kommentare und lasst es mich und andere wissen.
Weiterführende Links und Tipps
- Vorwahl 01011: Ventelo zockt ab von Stiftung Warentest
- Urteil vom Amtsgericht Neubrandenburg Aktenzeichen 103 C 1051/11 (13.12.2011)
- Urteil vom Amtsgericht Flensburg Aktenzeichen 65 C 247/08 (08.01.2009)
- Guter Forenbeitrag von billiger-telefonieren.de (leider sehr lang)
Stand 22. August 2019